Re-recordings sind jetzt Geschichte – Taylor Swift und der Kampf um ihre Alben

von am 12.06.2025

Von Lea Gärtner

30. Mai 2025, 17:52 – Ich, im Dirndl, bei meiner besten Freundin, ready fürs Bierzelt, schau auf mein Handy und sehe zwei Instagram Benachrichtigungen:

1.@taylorswift added a new post

Und 2. New Message from Jana „What“

Als bekennender Swiftie schau ich mir natürlich zuerst an, was Taylor Swift gepostet hat, denn ich weiß, dass sich die Nachricht von Jana auf genau das beziehen wird. Im Dirndl mit meinem zweiten Aperol in der Hand und mental überhaupt nicht auf eine Ankündigung vorbereitet seh ich jetzt also Taylor Swift auf dem Boden sitzen, um sie herum ihre ersten sechs Studio Alben und sechs bunte Herzen sowie „letter on my site :)“ als Caption. Natürlich drücke ich auf den Link in der Bio, drehe mein Handy und versuche auf meinem iPhone 13 mini-Display den Brief in Taylors Handschrift zu entziffern, der all das erklärt.

„We survived the great war“ –

„you belong with me“ und

„You are the best thing that’s ever been mine“

Wären vermutlich die drei Lyrics, mit denen Swifties den Inhalt des Briefes beschreiben würden – für alle anderen der Inhalt in aller Kürze: Taylor Swift gehört nun ihr gesamtes Lebenswerk. Sie hält nun also die Rechte an allem, was musikalisch mit ihr in Verbindung steht. Von Studioalben über Musikvideos und Konzertfilmen bis hin zu Fotos, Kunst und allen damit verbundenen Erinnerungen. Außerhalb des Swiftie Universums haben Menschen eventuell schon mal von Re-recordings oder „Taylor’s Version“ gehört aber warum genau der Frau ihr eigenes Lebenswerk nicht gehören sollte wissen die meisten nicht.

Um die ganze Geschichte zu verstehen, braucht es nicht nur einen Deep Dive in Taylor Swifts Geschichte sondern auch in die Funktions- und Arbeitsweisen von Plattenlabels. Es ist 2006, Sommermärchen in Deutschland, Merkel wurde Kanzlerin und die 15 jährige Taylor Swift unterschrieb ihren ersten Plattenvertrag bei „Big Machine Records“. Dieser Plattendeal umfasste sechs Alben, wobei die „Master Recordings“ dieser Alben im Besitz des Labels blieben. Die Master Recordings sind insofern wichtig, da sie die originale und offizielle Aufnahme darstellen, aus der dann alle Kopien hervorgehen. Damit liegen auch die Rechte an allem, was die Songs als Basis haben bei dem Plattenlabel. Der Besitz an den Master Recordings ist also das Wichtigste, um frei über die Musik verfügen zu können. Taylor Swift darf also als Urheberin ihre Songs spielen und hat ein Mitspracherecht darin, ob bzw. für was ihre Songs lizensiert werden, die Master-Recordings gehören allerdings nicht ihr. Diese Art von Deal hört sich zwar ungerecht für Künstler:innen an, ist aber gängige Praxis bei vielen Plattenlabels.

Taylor Swift nimmt nun zwischen 2006 und 2017 sechs Alben auf, startet als Country Sängerin, verliebt sich – manchmal unglücklich, manchmal unsterblich – wird verlassen, erfindet sich mehrere Male neu, erobert den Pophimmel, verschwindet für ein ganzes Jahr von der Bildfläche und gewinnt mehrere Grammys für ihre Musik, allein zweimal den Grammy für „Bestes Album“ für „Fearless“ und „1989“. Nach ihrem sechsten Album „reputation“ läuft der Plattendeal aus. Scott Borchetta, der Besitzer von „Big Machine Records“, verkaufte nun sein Label und damit auch Taylors Masters an den Musikmanager Scooter Braun für 300 Millionen Dollar und ohne, dass Taylor Swift davon wusste. Danach folgte ein Streit, ein langer Streit zwischen Taylor, Scooter Braun und der gesamten Musikindustrie der damit endete, dass Taylor Swift ankündigte, ihre ersten 6 Alben nochmals aufzunehmen.

Nach Ende ihres ersten Vertrages unterschrieb sie einen Plattenvertrag bei „Universal Music“ in dem festgehalten war, dass sie nicht nur Urheberin war, sondern auch die Besitzerin ihrer Master-Recordings aller folgenden Alben sein wird. 2019 erscheint ihr 7. Album „Lover“, sie möchte auf Tour gehen, muss diese aber wegen Corona absagen. Dann kommt der 20. November 2020 – ab diesem Tag darf sie, laut Vertrag, die ersten 5 Alben nochmal neu aufnehmen solange sich die neue Aufnahme von der alten Aufnahme unterscheidet – und das tut sie auch. Am 9. April 2021 erscheint „Fearless (Taylor’s Version)“, am 12. November 2021 „Red (Taylor’s Version)“ ein Jahr später – mit jetzt zehn Studioalben und zwei  Re-Recordings – kündigt sie die „Eras-Tour“ an, ohne zu wissen, dass diese Tour die umsatzstärkste Tour aller Zeiten werden sollte und jegliche Rekorde sprengen wird. Während dieser Tour wurden sowohl „Speak Now (Taylor’s Version)“ und „1989 (Taylor’s Version)“ angekündigt und veröffentlicht. Und jetzt, am 30. Mai 2025, erfährt die Welt also, dass Taylor den Kampf um ihre Alben gewonnen hat.

Da steh ich jetzt in der Küche, in meinem Dirndl und bin ein bisschen überfordert. Wenn ich mit etwas gerechnet habe, dann höchstens mit der Ankündigung für einen neuen Re-Release. Mir gehen all die Daten durch den Kopf, an denen Swifties schon überzeugt waren, dass „reputation (Taylor’s Version)“ veröffentlicht wird, all die Menschen, die sich „(Taylor’s Version)“ tätowiert haben und den komischen Moment den es geben wird, wenn auf einmal die Original Version eines Taylor Songs in der Playlist auftaucht. Seit bekannt wurde, dass sie ihre Alben neu aufnimmt, gilt unter Fans: Wenn es „Taylor’s Version“ gibt, wird nur diese gespielt – aus Loyalität. Und ab jetzt muss niemand mehr ein schlechtes Gefühl haben, wenn doch mal das Original läuft – es gehört ja endlich ihr.

Dass es Taylor Swift finanziell gesehen völlig egal ist, ob ich jetzt „(Taylor’s Version)“ oder die „stolen Version“, wie Swifties die originalen Alben liebevoll getauft haben, höre, ist mir bewusst. Dass sie aber ihre Master-Recordings nur aufgrund der Unterstützung ihrer Fans und dem riesigen Erfolg der Eras-Tour zurückkaufen konnte, hat mich als Fan ein bisschen Stolz gemacht.

Mir fällt es schwer, all das so pathetisch wie möglich zusammen zu fassen und eine Moral aus der ganzen Geschichte zu formulieren, denn es ist nicht zu bestreiten, dass Geld ein wesentlicher Faktor in diesem Deal war. Ohne ihren finanziellen Erfolg wäre es unmöglich gewesen ihre Masters zurück zu bekommen. Doch Geld ist nicht das Einzige, das die Geschichte prägt. Es geht auch um die Erfahrung von Ungerechtigkeit. Dass Taylors Alben ohne ihr Wissen verkauft wurden, war ungerecht. Dass Newcomer Artists oft ähnliche Plattenverträge unterschreiben und die Plattenlabels so sehr viel Macht haben, ist ungerecht. Dafür braucht es eine Person wie Taylor, die laut, auffällig, berühmt und mächtig ist, um an dieser Ungerechtigkeit etwas zu ändern.

Ich finde es gerade ungerecht, dass meine Freunde Pläne für die nächsten Tage gemacht haben, ohne dass ich Teil des Gesprächs war – fair ich glotze auch schon seit zehn Minuten mit offenem Mund auf mein Handy im Querformat und bekomme keinen gerade Satz heraus, wenn sie fragen, was los ist– ungerecht finde ich es trotzdem.

Und vielleicht ist es neben dem ganzen Geld vielleicht genau das, was die ganze Geschichte uns sagen kann. Wenn du weißt, dass du gerade eine unglaubliche Ungerechtigkeit erfährst, weil es um dich, deine Identität oder eben dein Lebenswerk geht, dann muss das angesprochen werden und wie Taylor sagen würde: „Sweet like justice karma is a queen“.


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