Rock am Ring 2025 – Zwischen Regen, Rage und Rausch
von Campus Crew Redaktion am 20.06.2025
Fünf Tage Ausnahmezustand. Von Mittwoch bis in die frühen Morgenstunden des Montags stand die Welt für mich Kopf – oder besser: sie drehte sich im Takt von Moshpits, Musik und matschigem Festivalterrain. Rock am Ring 2025 war mein erstes Festival überhaupt, meine zweite Konzerterfahrung nach K.I.Z im März. Um es vorwegzunehmen: es war überwältigend. Nicht nur wegen der Musik, sondern wegen allem. Wegen der Leute, der Energie, der Extreme. Aber auch wegen der unzähligen Kleinigkeiten, die das Ganze erst lebendig gemacht haben.
von Jonas Weidemann
Ich war mit vier Freunden unterwegs, alle aus NRW, von wo aus wir gemeinsam mit zwei Autos anreisten. Schon auf der Hinfahrt war spürbar: Das wird eine wilde Nummer. Vor Ort wurden wir prompt vom Wetter empfangen – und zwar nicht freundlich. Es regnete während des Zeltaufbaus, die Wiese war aufgeweicht, der Weg zu unserem Zeltplatz steil und nur durch ein Labyrinth aus Zelten zu erreichen. Mein Kumpel und ich mussten unser Zelt notdürftig unter dem bereits aufgebauten Pavillon unserer Gruppe aufstellen, weil der Regen einfach keine Pause machte. Unser Platz lag etwas abseits, weshalb wir keine Bollerwagen dorthin bringen konnten. Einer, der sich uns später anschloss – ursprünglich ein Fremder, dann aber Teil unseres Camps, weil er Klopfer während des Anstehens verteilte – musste sein ganzes Zeug stückweise heranschleppen. Neben ihm stand beim Einlass noch eine Gruppe Mädels, die sich uns eigentlich anschließen wollten. Sie entschieden sich dann aber doch anders, weil sie ihr Gepäck nicht durch das Zeltlabyrinth tragen wollten. Danach haben wir sie nie wieder gesehen.
Mein erster Eindruck vom Gelände selbst: Es war hügeliger als erwartet. Aber meine Zeit in Passau hatte mich vorbereitet. Während meine NRW-Truppe noch nach Luft schnappte, sprintete ich quasi voraus. Die Stimmung war direkt fantastisch. Überall Musik, aus jeder Box etwas anderes: Rage Cage von rechts, irgendwo lief Weihnachtsmusik, aus einem Pavillon dröhnte Heavy Metal, gefolgt von Nina Hagen und Techno. Selbst die Cantina Band war von irgendwo zu hören. Rock am Ring war ein einziges musikalisches Kaleidoskop, durch das man stolperte.
Das Wetter zeigte sich wechselhaft. An den Tagen vor dem Festival war der Regen allgegenwärtig. An den Konzerttagen selbst war es nur am Sonntag komplett trocken. Am schlimmsten war der Samstag – Dauerregen. Zum Glück hatte ich mir im Lidl-Store vor Ort ein Regen-Cape gekauft, das später sogar den Härtetest im Moshpit bestand.
Los ging’s am Freitag. Electric Callboy eröffnete das Festival als erster Überraschungsact – und es ging sofort in den Moshpit. Direkt rein. Danach folgte Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys als „Very Special Guest“, was für geteilte Meinungen sorgte. Viele Leute verließen die Main Stage, andere – wie ich – ließen sich vom Schlagerstrudel erfassen. Nach einer kurzen Pause im Camp ging es zur Mandora Stage zu Poppy, einer der Neuentdeckungen für mich. Ihr abwechslungsreicher Sound überraschte mich doch sehr. Danach trat Feine Sahne Fischfilet auf. Ich hatte mir vorgenommen, möglichst weit nach vorne zu kommen. Das Ziel: Erste Reihe bei K.I.Z. Und es hat geklappt. Nach FSF leerte sich die Mandora Stage etwas, dann folgte The Prodigy. Danach wieder ein bisschen Platzgewinn, bis ich schließlich ganz vorne stand. Allerdings waren weder FSF noch The Prodigy Mittel zum Zweck. Ganz im Gegenteil. Die Pits bei The Prodigy bereiteten mich auf das vor, was danach folgen sollte. K.I.Z war für mich der absolute Höhepunkt. Erste Reihe, direkt am Gitter. Hinter mir tobte der Moshpit wie ein Sturm. Ich wurde nach vorne gedrückt, zur Seite geschoben, zurückgeworfen – aber nie fiel ich um. Es war zu voll, um zu fallen. Die Angst wich schnell der Euphorie. Es war laut, intensiv, brachial – und wunderschön. Mein bislang intensivstes Konzerterlebnis. In einer Sprachnachricht beschrieb ich es als „Nahtoderfahrung“.
Der Samstag begann mit einem zu komplizierten Trinkspiel namens „Leitern“. Danach ging es wieder aufs Infield. Auf der Orbit Stage spielte zunächst Evil Jared mit Krogi. Anschließend auf der Mandora Stage Me First and the Gimme Gimmes, Airbourne und Heaven Shall Burn. Auf Letztere hatte ich mich besonders gefreut, weil ich den Podcast des Gitarristen verfolge. Leider musste der Sänger nach nur einem Song abbrechen – ein Infekt, wie man später erfuhr. Die Crowd reagierte respektvoll, rief seinen Namen, ließ ihn sogar crowdsurfen. Danach ein kurzer Abstecher ins Lager, dann zurück zur Main Stage: Kontra K. Sein Auftritt wurde kritisch gesehen, aber ich war vor allem wegen dem Act danach da: Slipknot. Es war mein erstes Mal Wall of Death – und ich wurde nicht enttäuscht. Später verließ ich das Konzert etwas früher, um mir einen Platz im vorderen Bereich bei SDP zu sichern. Erste Reihe wurde es zwar nicht, aber ich schaffte es immerhin in den ersten Wellenbrecher. Dann kam der Regen. Heftiger, als alles bisher Dagewesene. Aber die Show? Gewaltig. Tream, Esther Graf und Kontra K als Special Guests, Lichter, Feuer, Musik, SPD auf einer Krone zwischen dem ersten und zweiten Wellenbrecher – eine Wahnsinnsshow in strömendem Regen.
Der Sonntag war für mich ruhiger. Kein Act zog mich wirklich alleine, also schloss ich mich meinen Freunden an. Bevor wir auf das Infield gingen, bauten wir das Camp vollständig ab, um direkt nach dem letzten Act abreisen zu können. Auf dem Gelände bekam ich Amira Elfeky und Jinjer nur am Rande mit. Der erste vollständige Auftritt war der der Beatsteaks auf der Utopia Stage. Energiegeladen und kraftvoll. Einziger Wehrmutstropfen: Der angestimmte Gesang „Der ganze Ring hasst die AfD“ war überraschend leise – leider. Danach folgte Massendefekt, ein kurzer Abstecher zu Falling in Reverse, und dann Powerwolf. Der Sänger verstand es, das Publikum wie eine Schulklasse zu leiten – eine Mischung aus Autorität und Augenzwinkern. Danach hörten wir noch einen Song von Korn – für die Statistik – und ließen den Abend bei Kasalla auf der Atmos Stage ausklingen. Obwohl es die kleinste Bühne war, standen dort geschätzt zehntausend Menschen. Um zwei Uhr nachts zog es mich noch zu Brutalismus 3000. Die Stimmung war inzwischen deutlich müder, die Tage saßen allen in den Knochen. Gegen halb vier verließen wir das Gelände und machten uns auf den Rückweg. Schlafen? Fehlanzeige.
Was bleibt? Saubere Sanitäranlagen, verlässliche Versorgung, kostenloses Trinkwasser, freundliche Security – und vor allem: ein Gefühl von kollektiver Euphorie. Ein Ausnahmezustand, den man nicht planen oder künstlich erzeugen kann. Man muss ihn erleben. Für mich war Rock am Ring 2025 ein einziger Rausch. K.I.Z war mein persönliches Highlight, SDP trotz Sturm und Wolkenbruch unvergesslich. Mein Ticket für nächstes Jahr ist bereits gebucht – Linkin Park wurde noch während des Festivals als Headliner angekündigt.