Unser König der Nachbarschaft – ENNIO im Campus Crew Interview

von am 09.07.2023

Er singt von Liebe, brechenden Herzen, grünen Augen und warmen Sommernächten in Italien: Die deutsche Indie-Welt ist ohne ihn unvorstellbar. Auf dem PULS-Festival 2023 erzählt ENNIO der Campus Crew mehr von sich und seiner Musik.

von Lara Egeler und Hannah Mosbach

Campus Crew: Dein wievieltes Festival ist das dieses Jahr schon oder ist es dein erstes?

Ennio: Nee, es ist das fünfte, glaube ich.

Und warst du schonmal auf dem PULS selbst? Du kommst ja auch aus München…

Ennio: Ich komm‘ aus München und ich war letztes Jahr beim PULS. Da war es auch ein Donnerstag, also dieser erste Tag, wo noch nicht alle Bühnen offen sind, das war aber eine deutlich kleinere als dieses Jahr, also… gute Entwicklung.

Wenn du jetzt auf ein Festival gehst, wen würdest du dort am liebsten performen sehen oder wem hörst du gerne zu?

Ennio: Boah, also ich finde natürlich alle deutschen Acts cool. Vor allem viele, mit denen wir auch oft spielen. Blumengarten sind heute da, Dilla ist heute da… Das ist schon geil, ich feier‘ die alle sehr und find’s auch echt cool, dass sich da so ’ne Community bildet, auch so zwischen uns, weil wir uns immer wieder sehen und so. Aber ich würde mir auch mal wünschen, dass man vielleicht ein bisschen internationalere Acts sehen könnte, weil – das ist gar kein Vorwurf an die anderen, das geht denen wahrscheinlich auch so – man hat sich halt gegenseitig irgendwann schon so oft gesehen, dass man sich so denkt „Okay, wär‘ geil jetzt mal noch irgendwie was Neues zu sehen“.

Sind da auch irgendwelche dabei, wo du sagst, mit denen würdest du gerne mal ein Feature machen?

Ennio: Ja, also wir drehen auch gleich mit Blumengarten noch für Social Media bisschen was und sowas ist halt immer voll geil, also mit den Jungs…

Okay, jetzt kommt ein bisschen so eine Standard-Frage, aber woher nimmst du deine Inspiration zum Schreiben? Ist es so, dass dir einfach was einfällt?

Ennio: Boah, gute Frage. Ich find’s immer sehr random irgendwie. Also manchmal ist man so im Zug und beschäftigt sich mit sich selbst. Wenn ich alleine im Zug irgendwo für fünf Stunden hinfahre, dann nehm‘ ich mir manchmal vor: „Okay, ich schau‘ jetzt mal so ’ne halbe Stunde keinen Film, sondern mach einfach so nichts und schau einfach mal, was passiert.“ Weil dann denkt man halt über andere Sachen nach, wie wenn du dich jetzt die ganze Zeit ablenkst mit deinem Handy oder so… Da entstehen dann manchmal Sachen.

Hast du dafür ein konkretes Beispiel?

Ennio: Boah, Alter. Ehrlich gesagt nicht. Naja, es sind manchmal auch nur so kleine Sachen, zum Beispiel von Mando Diao habe ich letztens ein Cover-Song rausgebracht, von „Dance with Somebody“. Ich habe den ruhiger gemacht, weil der Original-Song hat ja so ein geiles Tempo mit so nem Drum-Beat und zum Beispiel meinte ich zu meinem Produzenten, Dennis Neuer, mit dem ich oft arbeite „Digga, lass‘ mal so nen Drum-Beat nachbauen“. Natürlich jetzt nicht kopieren, aber halt so in der Art und ich mein, die haben das Rad ja auch nicht neu erfunden. Und dann startet von da aus was ganz Anderes; am Ende wirfst du den Beat sogar über den Haufen… also, das ist so ein Beispiel. Dass du halt sagst „Das fasziniert mich“, probiert man einfach mal aus und dann passieren sowieso immer random Sachen, die man vorher nicht wusste, also so als Anfang ist das immer ganz cool, ja.

Warum hast du dich dazu entschieden, auf „rimini tape“ neben deinen ganzen Original-Songs auch noch ein Cover mit reinzubringen?

Ennio: Ich fand’s einfach spannend, mal Cover Songs zu machen, weil ich da einfach mal Bock darauf hatte. Es gibt so viele geile Songs, die man zu Hause vor sich hinklimpert und denkt „Mein Gott, ich würd’s super gerne irgendwie festhalten und jetzt nicht nur in der Insta-Story oder so, was dann direkt wieder weg ist“, sondern richtig aufnehmen. Und Mando Diao ist einfach ’ne geile Band. Das war mein erstes Konzert ever, deswegen habe ich auch nochmal eine andere Connection vor allem zu diesem Track, weil der mich voll begleitet hat in meiner Kindheit.

Jetzt wird’s ein bisschen deeper. Du hast einen Song namens „Freister Mensch der Welt“. Wann ist ein Mensch für dich frei bzw. wann bist du frei?

Ennio: Boah, also ich könnte die Frage beantworten „Wann fühle ich mich frei?“, auf jeden Fall. Ich fühl‘ mich immer frei, wenn ich so… das ist natürlich ne deepe Frage. Ich fühl‘ mich eigentlich immer frei, wenn ich so das Gefühl habe, ich kann jetzt mal so Verantwortung und alle Planungssachen aus dem Alltag einfach mal komplett vergessen. Und einfach voll im Moment sein. Eigentlich ist die Antwort: Wenn man das Gefühl hat, man ist voll im Moment, dann hat man das Gefühl meistens nicht im Moment, sondern man checkt es erst, wenn man nicht mehr da ist, so „Ahh, jetzt war es also so“. Und dieser Moment, den man auch nicht so erzwingen kann, sondern der manchmal von selbst kommt und, ich weiß nicht… also so Momente, wo man danach realisiert „Geil, ich war grad voll im Moment, hab‘ an nichts anderes gedacht; nicht an die Zukunft, nicht an die Vergangenheit, einfach… jetzt“.

Hast du manchmal den Moment auf der Bühne, dass du frei bist?

Ennio: Auf jeden Fall. Und ich muss auch sagen, manchmal spiele ich ja gar keine Instrumente, sondern singe nur und da fällt’s einfacher, wenn du mal eine kurze Pause hast, wo du „nichts“ tun musst, um den Song voranzutreiben, weil die anderen es gerade machen. Und wenn du halt die ganze Zeit Gitarre oder Klavier spielst, bist du mit Händen und Füßen aktiv und da fällt’s ein bisschen schwerer in diesen anderen Modus zu kommen. Aber auf jeden Fall, eigentlich bei jedem Gig immer wieder so geile Momente.

Mal eine Frage zu einem Wort: „Kippe“. Das kommt oft in Liedern von dir vor, gibt’s da einen gewissen Grund warum?

Ennio: Nee, keine Ahnung, ne. Ist halt ein Wort. Mir ist dann auch aufgefallen, also bei „Freister Mensch der Welt“, ist glaub‘ ich das zweite Mal, dass ich das Wort Kippe gesagt habe und dann merkt man schon „Okay, ich muss mal aufhören, die ganze Zeit Kippe zu sagen.“

Aber es hat keine tiefere Bedeutung oder so?

Ennio: Ja, am Ende hat alles irgendwie seine Bedeutung, weil du’s dann doch irgendwie schreibst und es jetzt nicht sinnlos ist, aber ich könnte euch jetzt nicht sagen „Ja, weil das und das.“

Aber denkst du auch manchmal über Verantwortung nach, gerade bei jüngeren Hörer:innen? Kippe ist jetzt auch kein schlimmes Wort.

Ennio: Also ich finde, man sollte beim Texteschreiben natürlich mit so einem gesunden Menschenverstand, wie an alle Dinge im Leben, ran gehen. Ich finde, man sollte da vor allem schauen, dass man selbst diesen Song auch einfach geil findet und ich habe auch das Gefühl, dass nur dann Leute sich auch richtig damit connecten können. Also jeder, der jetzt zu Drogen aufruft oder so, soll sich schon bewusst sein, dass es irgendeine Art von Effekt hat.

Kommen wir zu meinem persönlichen Lieblingssong „Drachenfrucht“. Es macht mich absolut wahnsinnig, dass du das Wort „Drachenfrucht“ nie aussprichst. Es ist immer Pause, nichts. Hat das ein Grund, dass du das Wort wirklich ausgelassen hast?

Ennio: Also es war zum Beispiel ein Song, der mir im Zug einfach so, also zumindest das Konzept teilweise einfach so eingefallen ist. Und ich dachte mir irgendwie so ’ne Drachenfrucht ist irgendwie geil.

Findest du, die schmeckt nach was?

Ennio: Nee. Also die importierten bei uns nicht… Ich habe für MAJAN Support gespielt, Ende 2021 und da hatten wir so ein geiles Catering und da war da eine Drachenfrucht und dann fand ich das irgendwie wild. Die lag da den ganzen Tag rum, weil’s halt niemand isst. Das heißt, das ist die ganze Zeit so ein rosa Aufmerksamkeitsfleck auf diesem Buffet und da dachte ich mir irgendwie, Drachenfrucht ist irgendwie echt so crazy, weil sie so unfassbar crazy und exotisch aussieht, aber letztendlich keine Substanz hat, im übertragenden Sinne, und da dachte ich mir, ist irgendwie ein ganz geiles Konzept, das so zu übertragen auf irgendwas Menschliches. Und dass quasi die Drachenfrucht nur die Hülle ist und der Song das quasi nicht beinhaltet.

Wir bleiben auch bei dem Song. Wir haben braune Augen und blaue Augen, aber jeder singt von grünen Augen, also wirklich momentan alle nur grüne Augen. Warum nicht mal blaue oder braune Augen?

Ennio: Ja, gute Frage. Ich glaube das ist auch ein bisschen Zufall, ehrlich gesagt. Also es ist nicht so, dass jeder sich abspricht und sagt „Hey Leute, dieses Jahr ist das das Ding oder so“. Wenn dir halt ’ne Person einfällt, die grüne Augen hat, und du in dem Moment dran denken musst, dann schreib ich’s halt, weil’s Sinn macht.

Und jetzt mal ein bisschen größer gedacht – was willst du die nächsten drei Jahre gerne machen?

Ennio: Musik. Neue Songs. Viel live spielen.

Wenn du dich entscheiden müsstest, du kannst für immer entweder nur noch mit der Gitarre Musik machen oder mit dem Klavier. Für was entscheidest du dich?

Ennio: Ach du Scheiße, das ist ja richtig gemein, ich könnte es nicht sagen. Ich kann besser Gitarre spielen, hatte auch Gitarrenunterricht. Klavier habe ich nie gelernt, das habe ich mir selbst zusammengereimt. Deswegen würde ich sagen Gitarre, aber Klavier ist schon auch geil.

Welcher Song macht am meisten Spaß zu performen auf der Bühne?

Ennio: König der Nachbarschaft, weil da alle abgehen!

Heute Abend stehst du auf der Bühne. Hast du ein Ritual, das du mit deiner Crew vor dem Auftritt machst?

Ennio: Ja wir machen so einen Teamkreis wie beim Fußball und hypen uns auf. Immer muss jemand ’ne Rede halten.

Wer hält heute eine Rede? Oder ist das spontan?

Ennio: Am Ende ist es dann immer so, dass ich noch was reinwerfe, egal wer was gesagt hat. Meistens bin’s ich.

Wir sind mit unseren Fragen durch, danke!

Ennio: Cool.

 

Bildquelle: © Ennio Musik


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