Willkommen im Gizzverse

von am 14.06.2025

Wenn King Gizzard and the Lizard Wizard ein neues Album ankündigt, fragen sich geneigte Hörer:innen sofort: was kommt da auf mich zu? Death Metal? Acid Jazz? Techno? Bei ihrer neue Scheibe Phantom Island haben sich die Australier für „Boogie Rock mit Orchester“ entschieden. Auf der Platte präsentieren sich KGLW so zugänglich wie selten zuvor – gerade deshalb macht das Album richtig Spaß.

von Leo Greinwald

In welches Genre lässt sich King Gizzard and the Lizard Wizard einordnen? Die Antwort lautet ganz klar: JA! Die Band aus Melbourne hat seit 2010 immerhin 27 Alben veröffentlicht (davon drei im Oktober 2022), welche annähernd jede Stilrichtung abdecken, die es gibt: Von Spaghetti-Western-Soundtracks (Eyes Like The Sky) über Kraftwerk-haften Electrosound (The Silver Chord) bis hin zum letzten Album Flight b741, welches mit staubtrockenem Bluesrock aufwartete. Die neue Platte Phantom Island schließt unmittelbar daran an – wie das Musikvideo zur zweiten Single Deadstick vermuten lässt, musste der Flight b741 eine Notlandung hinlegen und die Besatzung um Bandleader Stu Mackenzie findet sich auf einer Scheininsel, der Phantom Island, wieder.

Die Flight Crew macht aber das Beste aus ihrer Notlage. Aus den Wrackteilen ihres Flugzeugs bergen sie ein großes Orchester (allesamt Mitglieder des L.A. Philharmonic), welches das ganze Album mit furiosen Streicher- und Bläser-Arrangements unterstützt. Die mit Boogie- und Blueselementen versehene Grundstimmung des Vorgängers bleibt bestehen, allerdings werden Lautstärke und Verzerrung deutlich zurückgefahren. Grandiosität oder Pathos sucht man trotz des großflächigen Orchestereinsatzes glücklicherweise vergebens – stattdessen kommt eine Feelgood-Rockplatte heraus, welche sich trotz majestätischer Geigen und Hörner nie zu ernst nimmt. Dennoch geht manchmal ein wenig die Distinktion zwischen den verschiedenen Songs verloren. Die drei aufeinanderfolgenden Tracks Lonely Cosmos, Eternal Return und Panpsych könnten auch ein einzelnes Lied sein – Bläser-lastiger Jazzrock mit einem Hauch Funk und einer gehörigen Portion Blues. Ein Highlight ist vor allem das vor Energie sprühende Deadstick, welches mit seinem frenetischen Schlagabtausch zwischen kreischenden Gitarren und grellen Trompeten sofort für unkontrollierbare Tanzwut bei den Hörenden sorgt. Da wäre außerdem das unglaublich lässig lostuckernde Sea Of Doubt, sowie der Schlusstrack Grow Wings and Fly, welcher ein wenig sehnsüchtig verklingt – und so direkt Lust aufs nächste Album macht.

Ultimativ ist Phantom Island die ideale Platte für Einsteiger:innen ins Gizz-Versum. Wer sich mit dem freakigen Orchester-Sound und den surrealistischen Texten („Coconut congas playing in time with the waltz of a tortoise”) anfreunden kann, ist auch bei schwerer zugänglichen Alben, wie dem progressiven Meisterwerk Omnium Gatherum gut aufgehoben. Phantom Island lässt sich nicht auf 20-minütige Longtracks oder allzu psychedelische Experimente ein – es bleibt gefällig von der ersten bis zur letzten Sekunde. Das wahnsinnige Konzept „Orchestraler Boogie Rock“ mit 10 kurzen Songs umgesetzt zu bekommen, zeigt lediglich, wie unfassbar talentiert die Band ist. Und wem’s nicht gefällt, der wartet eben kurz auf Album Nummer 28. Vielleicht wird es Avantgarde-Jazz. Vielleicht Zwölfton-Musik. Eins ist sicher: es wird auf keinen Fall langweilig.

Rating: 4.3/5

Tracklist:

Phantom Island – 5:14
Deadstick – 3:33
Lonely Cosmos – 5:35
Eternal Return – 4:34
Panpsych – 4:02
Spacesick – 4:50
Aerodynamic – 4:46
Sea of Doubt – 4:24
Silent Spirit – 4:28
Grow Wings and Fly – 5:08

Phantom Island auf Spotify


Kommentare

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.


Weiterlesen

Campus Crew

Jetzt läuft
TITLE
ARTIST