100% „Shawn“ – Oder etwa doch nicht?

von am 30.11.2024

Vier Jahre ist es her, dass Shawn Mendes sein letztes Album veröffentlicht hat. 2022 brach er die „Wonder“-Welttournee wegen psychischer Probleme ab, danach wurde es still um den 26-Jährigen. Nun hat der Kanadier am 15. November das Album „Shawn“ released, das sein bisher persönlichstes, aber auch enttäuschendstes Werk werden soll:

von Anna-Maria Mugler

Sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, ein Comeback starten und ein Album mit „sehr persönlichen“ Songs veröffentlichen – dieser Trend steht dem Kalenderjahr 2024 auf die Stirn geschrieben und scheint sich mit „Shawn“ zu festigen. Vor dem „Mercy“-Sänger brachten Songwriterinnen wie Taylor Swift und Billie Eilish neue Alben heraus, in denen sie mit der Öffentlichkeit abrechnen und ihre mentalen Probleme verarbeiten. Gäbe es diesen Hintergrund nicht, würde Mendes‘ Album vielleicht stärker berühren. So hat es den bitteren Beigeschmack, der Songwriter nutze seine Lage bewusst aus, um Streams zu sammeln – weil es ja bei anderen Stars schon so viel Erfolg generiert hat.

Zwölf-Teile-Puzzle mit Genre-Mix

Obwohl Shawn Mendes ein talentierter Musiker und Sänger ist, hat er ein Album geschaffen, das weder Hand noch Fuß zu haben scheint. Ein Mix der Stilrichtungen macht die neueste Veröffentlichung eines Künstlers häufig erst interessant, wenn sich ein bestimmtes Thema als roter Faden durch das Album zieht. Mendes verwendet leider nichts davon, was die zwölf Tracks verbindungslos zusammengewürfelt wirken lässt. Aber auch einzeln betrachtet, können diese wenig überzeugen.

Identitätsverlust im Leben – und in den Songs

Dass er nach den vergangenen Jahren sich selbst nicht mehr kennt, drückt Mendes im Album-Opener „Who I Am“ aus. Die zarte Stimme – sein bewährtes Markenzeichen – und die ruhige Melodie muten nachdenklich an und erinnern fast an seine früheren Songs. Die Lyrics kratzen hingegen die vollen 1:40 Minuten an der Oberfläche und wirken wie von ChatGPT verfasst. Eine Erklärung dafür bietet gewissermaßen der Folgetrack „Why Why Why“, in dem Mendes fortlaufend seine Handlungen hinterfragt, unter anderem auch sein Comeback, so die Line „But here I am, singin‘ songs again/Why, why, why? Ease my mind“. Dass die Lyrics nur bedingt unter die Haut gehen, könnte auch daran liegen, dass eine größer werdende Anzahl an Songwritern an den Texten beteiligt ist und der Superstar seine Gefühle nur noch in Bruchteilen seiner Lyrics selbst miteinbringt. Was daran noch „Shawn“ sein soll, steht in den Sternen.

Die Highlights des Albums – Country-Drive und Stimmdynamik

Trotz mittelmäßiger Abschnitte, über die sich streiten lässt, erreicht „Shawn“ gegen Ende einen gewissen Durchbruch. Die Country-Hymne „Rollin‘ Right Along“ erzeugt eine unbeschwerte Lagerfeuerromantik mit Streichern und sanfter Percussion, enthält als I-Tüpfelchen sogar einen A-capella-Part kurz vor Schluss. Mendes‘ Gesang in diesem Track ist zart, aber dennoch kraftvoll und verführerisch. Der letzte Song auf der Platte ist ein Cover von „Hallelujah“ von Leonard Cohen, Unterstützung bieten eine leise Akustikgitarre und Streicher. Der Schlusstrack kennzeichnet einen der wenigen Momente, in denen Mendes seiner Stimme freien Lauf lässt.

 

Fazit

Jeder Mensch reagiert anders auf psychische Krisen und Erkrankungen. Demzufolge ist es absolut valide, dass Mendes‘ Album nicht funkensprühend klingt, sondern kraftlos. Befremdlich wirkt jedoch, dass der Sänger seine verbliebene Kraft, die er offensichtlich noch hat, um ein Album zu produzieren, nicht in eine kleine Veröffentlichung steckt, deren Songs er alleine geschrieben hat. Wenn sechs Songwriter beteiligt sind, die es nicht schaffen, ein zumindest mittelmäßig zufriedenstellendes Album herauszubringen, wird es vielleicht Zeit, sich ambitionierteren Künstlern zuzuwenden, die wirklich Herzblut in ihre Songs stecken. Deshalb bleibt „Shawn“ für mich mit 1/5 Sternen auf der Strecke.


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