Fethullah Gülen: Das Porträt eines umstrittenen Predigers und Aktivisten
von Campus Crew Redaktion am 13.11.2024
Fethullah Gülen, geboren am 27. April 1941 in der Türkei, war ein islamischer Gelehrter, Prediger und Gründer der Hizmet-Bewegung. Sein Leben und Wirken werden von vielen Menschen als ambivalent betrachtet, da er sowohl als spiritueller Führer, als auch als kontroverse politische Figur galt. Ursprünglich als Imam in der Türkei tätig, entwickelte Gülen über Jahrzehnte eine theologische und pädagogische Vision, die er mit Millionen Anhängern teilte. In der Türkei und darüber hinaus polarisierte seine Bewegung – die „Hizmet-Bewegung“ oder „Gülen-Bewegung“- daraufhin und erfährt bis zum heutigen Zeitpunkt regen Zulauf.
Von Julian Fliegel
Frühe Jahre und die Entstehung der Bewegung
Aufgewachsen in einer religiösen Familie, erhielt Gülen von Vater und Mutter bereits in jungen Jahren eine traditionelle islamische Ausbildung. Schon früh zeigte er großes Interesse an Bildung, Philosophie und dem moderatem Islam. Bereits 1959 war er in Edirne im Westen der Türkei als Prediger tätig. Nach dem Militärputsch von 1960 und seinem Militärdienst kehrte er wieder in den Predigerdienst nach Edirne zurück und wurde 1966 an die Kestanepazarı-Moschee nach Izmir versetzt. In den 1970er-Jahren begann er dort, Schüler und Studenten um sich zu versammeln, um Werte wie Bildung, interkulturellen Dialog und soziales Engagement zu fördern. Im Jahr 1981 beendete er seine Tätigkeit als Prediger im Staatsdienst und widmete sich zunehmend seiner neuen Bewegung. Die studentischen Versammlungen entwickelten sich zunehmend zu einer landesweiten Bewegung, die später die Hizmet-Bewegung genannt wurde. Hizmet, was in der türkischen Sprache „Dienst“ bedeutet, wird wegen ihrer zurückhaltenden Auslegung des Islams oft als Gegenstück zum sogenannten Salafismus betrachtet. Die Bewegung konzentrierte sich seit ihrer Gründung auf die Errichtung von Schulen, Universitäten oder Medienzentren und förderte dabei ein moderates islamisches Ethos, das Bildung und friedliche Koexistenz propagierte.
Exil in den USA und globaler Einfluss
1999 zog Gülen zu medizinischen Behandlung in die USA und lebte seitdem in Pennsylvania im selbst gewählten Exil. Dies wurde von vielen Beobachtern als Zeichen seiner Spannungen mit der türkischen Regierung angesehen, die seine wachsende Bewegung zunehmend kritisch betrachtete. Im Exil baute Gülen die globale Reichweite der Hizmet-Bewegung weiter aus, die mittlerweile Schulen und Organisationen in über 150 Ländern umfasst. Die Schulen der Bewegung sind für ihren hohen Bildungsstandard bekannt und gelten als Vorbild für einen interkulturellen und wissenschaftlich orientierten Ansatz.
Die Spannungen mit der türkischen Regierung
In der Türkei nahm die Kritik an Gülen und seiner Bewegung seit den 2000er-Jahren stetig zu. Bis ins Jahr 2013 galten Gülen und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan als enge Verbündete, doch die Beziehungen verschlechterten sich, als Erdoğan die Bewegung der Unterwanderung staatlicher Institutionen beschuldigte. Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war der Putschversuch im Jahr 2016, bei dem Erdoğan Gülen und seine Anhänger beschuldigte, den Umsturz geplant zu haben. Gülen wies diese Anschuldigungen wiederholt zurück und forderte eine internationale Untersuchung, um seine Unschuld zu beweisen. Seitdem ist die Gülen-Bewegung in der Türkei verboten, und ihre Anhänger sind heftiger Verfolgung ausgesetzt.
Tod, Einfluss und Vermächtnis
Fethullah Gülen starb am Abend des 20. Oktober um 21:20 Uhr an einer bisher ungeklärten Todesursache. Die Wirkung seiner Person bleibt ebenso schillernd wie ambivalent: Für seine Anhänger war er ein moderner islamischer Reformer, der durch Bildung und Dialog ein friedliches Miteinander fördern wollte. Kritiker hingegen sahen in ihm den Kopf einer geheimen Organisation, die mit Hilfe religiöser Praktiken auf politischen Einfluss abzielte. Sein Vermächtnis bleibt umstritten, doch sein Einfluss auf die religiöse und politische Landschaft der Türkei und der islamischen Welt ist unbestritten.